Eine traurige Mitteilung erreichte uns am Montag früh: Shimon Schwarzschild starb im Alter von 95 Jahren am Mittwoch, 10.11.2021, zu Hause in New York.

Shimon Schwarzschild, geboren am 19.12.1925, besuchte von 1931 bis 1935 die Volksschule Wertheim. Der gebürtige Wertheimer emigrierte aus dem von den Nationalsozialisten beherrschten Deutschland mit seiner Familie am 6. Februar 1936 nach New Jersey/ USA. Dort führte er ein bewegtes Leben:  Nach der High School arbeitete er ab 1945 als Radar-Techniker in der US-Marine und studierte anschließend Elektroingenierwesen. Nach einem Umzug an die Westküste war er Leiter der Youth hostels in San Francisco und Begründer einer Kette von Youth hostels an der kalifornischen Küste. Weitere 13 Jahre arbeitete er als leitender Mitarbeiter einer Umweltorganisation, engagierte sich für den Umwelt- und Tierschutz. So war er Direktor des Wal-Zentrums in Oakland, Kalifornien. Parallel arbeitete er als Leiter von zivilgesellschaftlichen und politischen Organisationen zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten. 1982 gründete Shimon Schwarzschild während einer Europareise eine italienweite Organisation zum Schutz der Singvögel mit Ableger in San Francisco. Bis zu seinem Tod war er als Journalist, Autor und international anerkannter Natur- und Tierschützer tätig.

Auf Einladung des ehemaligen Wertheimer Oberbürgermeisters Karl Josef Scheuermann besuchte Shimon Schwarzschild mit seiner Familie 1975 das erste Mal nach seiner Flucht Deutschland, es folgten weitere Besuche in seiner Geburtsstadt. Jahrelanges Verarbeiten und der Austausch mit Freunden in Deutschland führten dazu, dass er seinen Hass gegenüber den Deutschen überwandt. Bis zuletzt war Versöhnung sein zentrales Anliegen. Er besuchte bei seinem Aufhalten Stätten seiner Kindheitserinnerungen, beim jüngsten Aufenthalt 2019 auch die Ortschaft Dertingen, aus der seine Familie stammt. Er sprach in der Comenius Realschule mit Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 10 und beteiligte sich am Stolpersteine-Erinnerungsdienst. Durch diese Begegnungen kamen viele Dokumente zusammen und es reifte in ihm der Entschluss, seine Geschichte im Film festzuhalten. Mit dem New Yorker Regisseur Mark Coelho entstanden gemeinsam mit Shimon Schwarzschild in jahrelanger Vorarbeit zwei Kurzfilme, die durch zahlreiche Spender im In- und  Ausland verwirklicht werden konnten: eine Dokumentation, die auf YouTube zu sehen ist, sowie den 18-minütigen Film „POEM – Return to Wertheim“. Seit Juni 2021 ist letzterer, in dem man in die Gefühlswelt des Autors eintaucht,  im Grafschaftsmuseum in der jüdischen Abteilung zu sehen. Shimon Schwarzschild richtet diesen Film vor allem an junge Menschen, die diese Zeit damals nicht erlebt haben und an Flüchtlinge, in die er sich hineinversetzen kann. Er hofft, ihnen damit Kraft in einem fremden Land und Stärkung bei der Überwindung der verlorenen Heimat geben zu können.

Wir trauern um eine beeindruckende Persönlichkeit, die wir kennenlernen durften.

 

Foto: Stadt Wertheim